Poetin    Maria    Schiffner

Zeitkritisches







 

Der Hirsch mit den goldenen Hufen

Weil so schönes Wetter war, macht sich Förster Rothard am Abend noch einmal auf, ein Stück durch den Wald zu gehen. Er wollte sich auch einmal in Ruhe am Gesang der Wögel freuen. Da sah er, weit entfernst zwischen den Baumstämmen ein grosses Tier, vermutlich einen Hirsch, danz langsam herankommen. Als er näher kam, erkannte der Förster, dass es wirklich ein Hirsch war und dass er ganz lahm ging. "Was hat er nur?" dachte der Förster, plötzlich fiel das Tier einfach um.

Schnell war jetzt der Förster bei ihm, da wollte es aufspringen, vermochte es aber nicht. "Was hast du denn? Bist du krank?" fragte der Förster. "Ach", sagte der Hirsch, "ich kann einfach nicht mehr, aber ich fürchte mich auch nicht vor dir. Du bist sicher der Förster Rothard, weil du unsere Sprache sprichst und ich bin hier endlich in deinem Walde, ich suche ihn schon seit Tagen."

"Wo kommst du denn her?" "Aus den Ardennen, dort spricht man in Tierkreisen viel von dir und deinem Wald. Hier kann jeder Hilfe bekommen, der sie braucht, sagt man, deshalb bin ich hier." "Was fehlt dir denn?" "Sieh dir doch meine Hufe an, sie sind aus Gold und so schwer, dass ich sie kaum heben kann." Das sah der Förster nun ud wunderte sich. "Wie bist du denn zu den goldenen Hufen gekommen?"

"Das war so: In meiner Heimat haben wir einen verbotenen Wld, dort soll es Dinge geben, die Tiere nicht sehen sollen, aber gerade die wollte ich mir anschauen und sprang über das Gitter, kam bald zu einer Wiese mit sonderbaren Blumen und einem grossen Teich, über den eine leuch-tende Brücke zu einem ganz durchsichtigen Haus führt, dort drin schien ein Feuer zu brennen, das ich sehen wollte. So betrat ich die Brücke und merkte plötzlich, dass meine Hufe schwer wurden und da waren sie aus Gold. Ich erschark sehr, kehrte um und fand endlich ein Tor, denn über das Gitter hätte ich mit den schweren Hufen nicht mehr springen können. Tagelang irrte ich dann im Walde herum, bis ich die alte Füchsin traf, die mir von deinem Walrde erzählte, in dem allen Tieren geholfen wird, die in Not geraten. Deshalb wanderte ich mit meinen schweren Hufen wieder viele Tage lang und bin nun glücklich hier. Wer kann mir nun helfen?"

"Ich will die Wurzelmännchen fragen, die wissen es vielleicht." Gleich ging der Förster zu der alten Eiche und rief: "Wurzelmännchen!" Bald kam eines heraufgestiegen. "Was ist denn los?" fragte es, "hast du Sorgen?" Der Förster erzählte vom Hirsch mit den goldenen Hufen. "Oh je, das ist böse, da muss ich wohl Pucki rufen, der weiss alles vom Gold und er kann auch ein bisschen zaubern, wenn's nicht gar zu schwer ist. Pucki, Pucki", rief das Wurzelmännchen durch einen Riss unterhalb der Wurzel.

Bald kam ein uraltes Wurzelmännchen herausgeklettert. "Was gibt's denn hier oben?" "Grosse Sorgen wegen eines fremden Hirsches mit goldenen Hufen."
"Ach, der ist hier? Ich weiss davon, er war im verbotenen Garten."

"Wie ist ihm aber zu helfen?" "Helfen? Dem? Man tut nichts Verbotenens." "Ich möchte ihm aber helfen, dem armen Tier", sagte der Förster streng. "Wir wollten uns doch gegenseitig immer helfen." "Gut, ich hole ein Mittel gegen solchen Zauber und komme mit, aber du muss mich tragen, für mich ist das Laufen über der Erde schwierig."

Damit verschwand es im Spalt, kam aber gleich wieder und trug einen kleine Beutel auf dem Rücken. Der Förster setzte Pucki auf seine Schultern und als sie zurück zu der Stelle kamen, wo der Hirsch lag und wartete, sagte Pucke sehr böse: "Du bist im verbotenen Garten gewesen und deshalb hast du jetzt goldene Hufe; Dinge, die verboten sind, tut man die?"

Der Hirsch sagte weinerlich: "Nie wieder tue ich Verbotenes." "Dann will ich dir helfen, weil der Förster Rothard, der uns auch immer hilft, für dich gebeten hat. Zeig deine Hufe her!" Er nahm ein bisschen hellen Pulver aus dem Beutel, murmelte einige fremdartige Worte, blies das Pulver über alle vier Hufe, die man darauf plötzlich nicht mehr funkeln sah.

Dann sagte das Männlein: "Morgen in der Frühe gehst du durch den ersten Tau wieder in deine Ardennen, da zergeht das Gold vollends, aber denke dran: Nie wieder Verbotenes, ein zweites Mal kann ich nicht mehr helfen. Trägst du mich nun wieder zurück, Förster Rothard?" Der tat es und bedankte sich bei Pucki. Dieser sagte: "Dir zuliebe helfen wir immer gern."

Sehr früh am nächsten Morgen suchte der Förster die Stelle, wo der Hirsch gelegenhatte, auf. Da fand er im Grase zwei kleine Plättchen Gold und eine frische Spur, aus der er sah, dass der Hirsch grosse Sprünge gemacht haben musste, also wieder richtig rennen konnte. Nun war er von Herzen froh, wie jeder froh ist, der etwa Gutes getan hat.


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